Kritik an Dienstleistungspaket zu regulierten Berufen


20. Januar 2017: Ehinger: „Aktuelle Debattenkultur im Hinblick auf den Binnenmarkt ist Gift für Europa.“

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Handwerkskammerpräsident Bernd Ehinger hat die vier neuen Initiativen der Europäischen Kommission zu den reglementierten Berufen scharf zurückgewiesen. „Die Art und Weise, wie das sogenannte Dienstleistungspaket aufgearbeitet ist, lässt leider nur den Schluss zu: Brüssel arbeitet weiter daran, seinen Einfluss auf nationale Angelegenheiten zu erweitern, für Dinge, für die es eigentlich nicht zuständig ist. Das hat negative Auswirkungen auf unsere Betriebe und die einzelnen Wirtschaftsräume.“

Insbesondere kritisierte Ehinger die Art und Weise der geführten Debatte: „Wir stellen verstärkt fest, dass für die Argumentation sehr selektiv Studien und Zahlen herangezogen werden, ohne Sachargumente anzuerkennen. Unverständlich ist etwa, dass die negativen Auswirkungen der Handwerksnovelle 2004 immer noch nicht akzeptiert sind. Volkswirtschaftliche Konzepte müssen sich an der Lebenswirklichkeit der Menschen und den politischen Gegebenheiten in der Region messen lassen, sonst hat das fatale Folgen. Die aktuelle Diskussionskultur im Hinblick auf den Binnenmarkt ist Gift für die Zusammenarbeit in Europa. Es geht nur gemeinsam und auf Augenhöhe.“

Das in dieser Woche vorgestellte Dienstleistungspaket nennt vier konkrete Vorschläge, die darauf abzielen, die regulierten Berufe weiter zu liberalisieren. Darunter sind beispielsweise konkrete Empfehlungen zur Öffnung von Berufszugängen in Europa und eine Empfehlung, die Kommission noch engmaschiger über Veränderungen in den Mitgliedstaaten zu informieren. Betroffen davon wären etwa auch die regulierten Berufe im Rahmen der Dualen Ausbildung sowie der Meisterbrief. „Die Regionen und Staaten haben teilweise sehr gut funktionierende Systeme, um den europäischen Binnenmarkt zu stärken und den freien Markt zu garantieren. Es gibt einen breiten Konsens in Politik und Wissenschaft zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung des Meisterbriefes und der Ausbildungsleistung der Dualen Bildung, der auf Fakten basiert. Reglementierungen sind dabei Basis für Prosperität in Europa, Grundlage für Verbraucherschutz sowie Qualitätssicherung in Produkt, Dienstleistung und Ausbildung.“

Im Hinblick auf die Debatte um die Arbeitnehmerfreizügigkeit sagte er zudem: „Jemand, der aus dem Ausland zu uns kommt, um hier zu arbeiten, muss sich nur registrieren und kann dann seiner Beschäftigung nachgehen. Wozu benötigen wir beispielsweise etwa eine einheitliche elektronische Dienstleistungskarte, bei der wir gar nicht wissen, wie die ganze Abwicklung überhaupt funktionieren soll. Die verantwortlichen Stellen, etwa bei der Politik oder den Kammern, leisten hier seit Jahrzehnten sehr gute Arbeit. Wir dürfen es nicht so weit kommen lassen, dass nachweislich erfolgreiche bestehende Konzepte in Deutschland aus Brüssel immer wieder in Frage gestellt oder Fakten nicht zur Kenntnis genommen werden.“ Als Beispiel nannte Ehinger insbesondere das Bildungssystem im Bereich der Dualen Ausbildung: „Die Duale Bildung mit Stationen in Betrieb, Schule und überbetrieblicher Lehrlingsunterweisung, eingebettet in ein System der Selbstverwaltung mit Prüfungsausschüssen, ist Motor der deutschen Wirtschaft und Modell der Zukunft. Die Überakademisierung ist es nicht. Man muss nur in Nachbarländer schauen, in denen die Jugendarbeitslosigkeit exorbitant ist.“

Ehinger forderte zeitnah eine offene Diskussion über die Auswirkungen der Brüsseler Vorschläge und kündigte an, verstärkt Gespräche zur Politik zu suchen: „Man muss sich einmal konkret vor Augen führen, was in Konsequenz aus den nun vorgestellten Ideen erwachsen kann: Tätigkeiten, zum Beispiel im Bereich der Rechtsberatung, unterliegen in Deutschland nicht ohne Grund bestimmten Spielregeln, dasselbe gilt für den Bereich der Meisterpflicht. Einen Rechtsanwalt, der sich einmal auf einem bestimmten Gebiet ausprobiert oder ein Elektriker, der Starkstromleitungen nicht ordentlich verlegen kann oder nicht weiß, wie er sein Wissen Auszubildenden vermitteln soll, kann niemand ernsthaft wollen. Wir benötigen keine Verschärfung der bestehenden Regelungen – wir müssen diese konsequenter umsetzen.“

Die Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main hat ein eigenes Büro in Brüssel, um die Interessen der 34.000 Handwerksbetriebe und der rund 143.000 Handwerker in Frankfurt-Rhein-Main bei der Europäischen Union zu vertreten und die Reichweite von europapolitischen Entscheidungen auch mit Mitgliedern zu diskutieren.