Ehinger: "Gefahr für kleine und mittlere Betriebe."


22. März 2017: Ausweitung der Umweltzone in Frankfurt ohne Nutzen

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Eine Vergrößerung der Umweltzone in Frankfurt, wie derzeit von der Koalition von CDU, SPD und GRÜNEN im Frankfurter Römer geplant, brächte aus Sicht der Wirtschaft keinen zusätzlichen Nutzen, so dass die damit einhergehende Belastung der Unternehmen nicht gerechtfertigt wäre – dies insbesondere vor dem Hintergrund der derzeit diskutierten Einführung der Blauen Plakette. „Wir vermissen in der aktuellen politischen Diskussion um die Ausweitung der Frankfurter Umweltzone den Hinweis darauf, dass eine Einführung der Blauen Plakette fast alle Dieselfahrzeuge von heute auf morgen aus dem kompletten Stadtgebiet aussperren würde. Die Versorgung der Stadt sowie die Aufrechterhaltung der Lieferverkehre würden dadurch massiv gefährdet und tausende Pendler würden ihren Arbeitsplatz nicht mehr erreichen“, mahnt Dr. Alexander Theiss, Geschäftsführer Standortpolitik der IHK Frankfurt am Main. „Dabei ist die Wirkung dieser Maßnahmen auf die Luftqualität bestenfalls unklar.“
 
Die Wirkung der Umweltzone mit Grüner Plakette ist in Bezug auf die Reduzierung der Feinstaubemissionen wissenschaftlich schon lange umstritten und wird inzwischen selbst vom Bundesumweltamt als überholt eingestuft. Darüber hinaus wird schon heute nur an sehr wenigen Tagen im Jahr der Feinstaub-Grenzwert an den Messstationen an der Friedberger Landstraße und in Frankfurt-Ost überschritten, außerhalb des Autobahnrings ist die Feinstaubbelastung überhaupt kein Thema.

Allerdings könnten bei der Erweiterung der Umweltzone insbesondere Unternehmen, die bislang nicht innerhalb der Umweltzone angesiedelt sind, durch die Einschränkung ihrer Erreichbarkeit Nachteile erleiden. Sollte die Umweltzone ausgeweitet werden, muss es – wie schon bei ihrer Einführung – großzügige Ausnahmeregelungen für Zufahrten von Gewerbe- und Industriegebieten sowie für den Flughafen geben. Darüber hinaus würden auch Ausnahmegenehmigungen für kleine Unternehmen und Sonderfahrzeuge benötigt. „Statt die Umweltzone auszuweiten, wäre es vernünftiger, daran zu arbeiten, den Verkehrsfluss zu verstetigen, zum Beispiel über Grüne Wellen. Brems- und Beschleunigungsmanöver erhöhen die Schadstoffemission. Eine niedrige Schadstoffbelastung der Anwohner und die gute Erreichbarkeit der Betriebe müssen ausgewogen nebeneinander bestehen“, betont Dr. Theiss.
 
„Auch das Handwerk unterstützt Anstrengungen zur Verbesserung der Luftqualität und trägt durch sein Know-how im Bereich der Gebäude-, Energie-, Umwelt- und Fahrzeugtechnik bereits entscheidend zur Schadstoffsenkung bei. Die Elektromobilität ist nur ein Beispiel“, sagt Bernd Ehinger, Präsident der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main. „Ganz klar ist aber, dass unsere kleinen und mittleren Unternehmen Fuhrparks eben nicht von heute auf morgen austauschen können. Für einige Fahrzeugtypen gibt es heute auch noch keine Alternative zum Diesel. Für einen kleinen oder mittleren Betrieb kann durchaus die Existenz auf dem Spiel stehen, wenn er fünf oder sechs Fahrzeuge sofort austauschen muss."
 
„Im Hinblick auf Stickstoffdioxid ist sogar zu befürchten, dass die Wirkung von Umweltzonen kontraproduktiv sein könnte. Demnach sind die Umweltzonen nicht nur wirkungslos für die Belastung durch Feinstaub, sondern auch durch Stickstoffdioxid“, erläutert Dr.-Ing. Jochen Knake, Geschäftsführer der Elektrounternehmens Nolta GmbH, Cölbe, und Vorsitzender des VhU-Verkehrsausschusses. Bei Dieselfahrzeugen, die mit einem Partikelfiltersystem nachgerüstet werden, erhöht sich technisch bedingt sogar der Ausstoß an Stickstoffdioxid. Aufgrund dieser Wechselwirkung wird auch ein Dieselfahrverbot oder die Blaue Plakette nicht die gewünschte Wirkung haben. Ihre Einführung würde zu einem abrupten Ausschluss fast aller heutigen Dieselfahrzeuge aus dem Stadtgebiet führen.
„Durch die stetige Erneuerung des Fahrzeugparks seit Einführung der Frankfurter Umweltzone 2008 hat die Umweltbelastung abgenommen und wird sich auch weiter reduzieren. Auch deshalb wird die Erweiterung der Umweltzone wahrscheinlich keine positive Wirkung auf die Luftqualität haben – insbesondere da es neben dem Verkehr auch andere Feinstaubemittenten, wie die immer beliebter werdenden Holzöfen, gibt“, erläutert Dr.-Ing. Knake.
 
„Die Speditions- und Logistikbranche erkennt den von der Gesellschaft geforderten Beitrag der Logistik zum Umweltschutz an und wird durch weitere Prozessoptimierungen und eine ständige Verfeinerung der City-Logistik sowie durch den Einsatz von Fahrzeuginnovationen zur Reduzierung städtischer Luftschadstoffemissionen beitragen. Die Technik der neuesten Dieselgeneration, die in hohem Maße von der Speditionsbranche bereits genutzt werden, haben ein größeres und zuverlässigeres Schadstoffreduktionspotenzial als zahlreiche moderne Diesel-Pkw. Bei einer politischen Abwägung sollte der städtische Wirtschafts- und Lieferverkehr deshalb nicht reglementiert werden wie der Individualverkehr. Eine undifferenzierte Ausweitung der Umweltzone in Frankfurt birgt die Gefahr, dass Einbußen in der Versorgungsqualität entstehen“, meint Thorsten Hölser, Geschäftsführer Speditions- und Logistikverband Hessen/Rheinland-Pfalz e.V. Auch er sieht die Ausweitung insbesondere dann kritisch, wenn zusätzlich die Blaue Plakette eingeführt werden sollte.
 
Die hessische Wirtschaft begrüßt grundsätzlich, dass alle schon bisher gelten Ausnahmen auch bei einer Ausweitung der Umweltzone gelten sollen. Des Weiteren muss das Gelände des Flughafens Frankfurt inklusive der Cargo City Süd sowie die von den Autobahnen auf direktem Weg zum Flughafen führenden Zu - und Abfahrtsstrecken und die von den Autobahnen auf dem direktesten Weg zu den Gewerbegebieten wie Industriepark Höchst, Industriepark Griesheim und Industrie- und Gewerbegebiet Fechenheim führenden Zu- und Abfahrtsstrecken ausgenommen bleiben. Die Wirtschaftsverbände fordern außerdem Ausnahmen für folgende, im Antrag der Koalition bisher noch nicht genannten, Gewerbegebiete: Seckbach/Fechenheim außerhalb des Industrieparks (Gwinnerstraße, Borsigallee etc.), Osthafen 2 (Oberhafen), das Gewerbegebiet Berner Straße jenseits der A661 sowie das Gewerbegebiet um die Wilhelm Fey-Straße im Autobahndreieck A5, A66, A648.